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Feuer löschen mit Data Science

11.09.2023

Zwei internationale Studierendenteams haben zwei Monate Zeit, um ihr Fachwissen in Data Science für das Gemeinwohl einzusetzen. Eines hilft so der bayerischen Feuerwehr bei der Brandbekämpfung.

Zwei Feuerwehleute schließen einen Schlauch an einem Hydranten an.

Mit einer neuen App soll die bayerische Feuerwehr in Zukunft einen besseren Überblick über ihre verfügbaren Hydranten erhalten. | © IMAGO / Westend61

In der Welt wimmelt es von Daten aller Art. Sie zu verstehen und sinnvoll zu nutzen stellt nicht selten eine Herausforderung dar. Dabei kann darin großes Potenzial für die Wissenschaft, die Wirtschaft, aber auch für den guten Zweck schlummern. So kann man damit Wissenslücken über die Flächenversiegelung in Deutschland schließen und so Umweltschutz und Klimaziele voranbringen, oder im Katastrophenschutz für eine bessere Logistik bei der Brandbekämpfung sorgen. Genau diesen beiden Fällen widmen sich gerade die beiden Teams von „DSSGx München“.

Das Fellowship-Programm Data Science for Social Good (DSSG) hat das Ziel, mit Datenwissenschaften die Welt ein Stück weit besser zu machen. Gemeinnützige Organisationen können sich mit konkreten Problemen bewerben, für deren Lösung ihnen Zeit, finanzielle Mittel oder auch das notwendige Wissen fehlen. DSSG bringt Studierende und junge Fachleute mit verschiedenen Expertisen und Hintergründen zusammen, um diese Probleme konkret anzugehen. Ursprünglich stammt die Idee aus den USA, dieses Jahr ist zum ersten Mal auch die LMU Gastgeberin. „Wir freuen uns sehr, dass wir durch die Zusammenarbeit zwischen dem Lehrstuhl für Statistik und dem Munich Center for Machine Learning (MCML) nun in der Lage sind, unsere eigene Version des DSSG-Stipendienprogramms hier in München zu starten“, sagt Professorin Frauke Kreuter, die den Lehrstuhl für Statistik und Datenwissenschaft in den Sozial- und Geisteswissenschaften an der LMU innehat und „DSSGx München“ zusammen mit Professor Bernd Bischl, dem Co-Direktor des MCML, organisiert hat und leitet.

Von Anfang August bis Ende September sind junge Expertinnen und Experten aus aller Welt zu Gast in München und arbeiten gemeinsam an Projekten für den guten Zweck. Um jedes Projekt kümmert sich ein engagiertes Team von vier bis fünf Teilnehmern. „Mit DSSGx München bringen wir interdisziplinäre Teams mit unterschiedlichen Hintergründen und Fähigkeiten zusammen“, erklärt Bischl. „Studierende arbeiten – akademisch begleitet vom MCML – an Projekten von hohem gesellschaftlichem Interesse.“ Wissenschaftliche Fortentwicklung, wirtschaftlicher Nutzen und der Einsatz der neuen Techniken des maschinellen Lernens für das gesellschaftlich Gute müssten Hand-in-Hand gehen. „Wir sind bereits sehr gespannt auf die Resultate der Teams.“

Bessere Brandbekämpfung in Bayern

Rahaf Gharz Addien

Rahaf Gharz Addien

„In unserem Team kommen verschiedene fachlichen Hintergründe zusammen. Das ergibt eine sehr fruchtbare Mischung.“ | © Rahaf Gharz Addien

„Data Science findet heutzutage Anwendung in allen möglichen Bereichen. Und natürlich kann sie auch für soziale Zwecke auf verschiedene Weise genutzt werden“, sagt Rahaf Gharz Addien, die in Syrien Mathematik studierte, vor einem Jahr ihren Master an der Freien Universität Berlin abgeschlossen hat und derzeit am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) arbeitet. „Viele Organisationen haben eine Menge Daten, verfügen aber oft nicht über das nötige Fachwissen, um sie zu analysieren und Erkenntnisse daraus zu gewinnen“, ergänzt ihr Teamkollege Pankaj Singla. Er hat in Indien Elektrotechnik studiert und vor wenigen Wochen seinen Masterabschluss in Psychologie, Statistik und Machine Learning an der KU Leuven in Belgien gemacht.

Die beiden widmen sich in ihrem Projekt von DSSGx München in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration einem Thema, bei dem sie sehr eng mit der Münchner Feuerwehr zusammenarbeiten. „Wir versuchen, eine benutzerfreundliche App für die Feuerwehren in München und Bayern zu entwickeln“, erklärt Rahaf. Das Hauptziel des Projekts sei es, den Feuerwehrleuten eine bessere Planung für die Nutzung und Platzierung von Hydranten zu ermöglichen. Pankaj erläutert das Prinzip: „Nehmen wir an, es gibt einen Brand im Zentrum von München, und die Feuerwehr will wissen, ob ein Hydrant in zwei Kilometern Entfernung genügend Reichweite hat. Wenn man dort einen Einsatzwagen platziert, würde dessen Schlauch den Brandherd erreichen und das Feuer effektiv löschen können?“ Mit der geplanten App ließen sich solche Frage für jeden beliebigen Ort in Bayern auf Knopfdruck beantworten. Außerdem könne die App Lücken im System aufzeigen, Bereiche in München oder Bayern also, die noch nicht durch bestehende Hydranten abgedeckt sind. „So hilft unser Projekt am Ende auch dabei sicherzustellen, dass jeder Punkt und jedes Gebiet durch einen Hydranten oder eine andere Wasserquelle erreicht werden kann“, meint Rahaf. Mit den neuen Möglichkeiten, die die Technologie und gerade die Datenwissenschaft bieten, ließe sich dieses Problem jetzt viel effektiver angehen, als noch vor einigen Jahren.

Diverses Daten-Team für das Gemeinwohl

Pankaj Singla

Pankaj Singla

„Hier haben wir das Privileg, am Ende sicher zu wissen, dass unsere gemeinsame Anstrengung einen konkreten positiven Einfluss auf die Arbeit der Feuerwehrleute hat.“ | © Pankaj Singla

Mit Brandbekämpfung oder Hydranten hatten Rahaf und Pankaj bisher noch nichts zu tun. Als sie sich für das DSSG-Programm bewarben, hatten sie noch keine Ahnung, welches Projekt ihnen am Ende zugeteilt werden würde – Hydranten in Bayern, oder doch eher die klimaorientierte Landnutzungsplanung in Deutschland? Gerade das helfe aber dabei, mit einem frischen Blick und neuen Perspektiven auf das Thema zu schauen. „In unserem Team kommen die verschiedensten fachlichen Hintergründe zusammen“, sagt Rahaf. „Das ergibt eine sehr fruchtbare Mischung. Während wir an dem Projekt arbeiten, lernen wir gemeinsam und voneinander.“

Alle Teammitglieder arbeiten für die Dauer des Programms vor Ort in München und wohnen sogar zusammen. Die LMU stellt ihnen für ihr Projekt Büros und Seminarräume zur Verfügung. Die Zusammenarbeit ist also eine sehr intensive Erfahrung für die Beteiligten, sie haben viel Zeit, einander kennen zu lernen und sich auszutauschen. „Ich genieße das wirklich sehr“, sagt Pankaj. „In einer so diversen Gruppe kann man eine Menge lernen und entwickelt vielleicht Ideen, auf die ein reiner Softwareentwickler nicht gekommen wäre.“

Trotz der unterschiedlichen Expertisen und Erfahrungen eint die Gruppe aber die Motivation, etwas für das gesellschaftliche Wohl tun zu wollen. „Die meisten von uns haben die Möglichkeit, in der Industrie zu arbeiten und wirklich viel Geld zu verdienen, unabhängig von den Zielen oder Themen ihrer Arbeit“, sagt Rahaf. „Aber hier können wir uns einfach komplett auf das soziale Wohl konzentrieren. Das führt einem vor Augen, wie man sein Fachwissen für die Gesellschaft einsetzen und vielleicht Dinge verändern kann, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“ Im Gegensatz zur Arbeit in Industrie oder Wissenschaft sei man hier auch viel näher an der Praxis dran, ergänzt Pankaj. „Hier haben wir das Privileg, am Ende sicher zu wissen, dass unsere gemeinsame Anstrengung einen konkreten positiven Einfluss auf die Arbeit der Feuerwehrleute hat, mit denen wir zusammenarbeiten.“ Diese Genugtuung sei ein großer Antrieb für das Team.

Das DSSGx München Team zur Brandbekämpfung in Bayern mit der Münchner Feuerwehr.

Das DSSGx München Team zur Brandbekämpfung in Bayern mit der Münchner Feuerwehr.

© DSSGx Munich

Münchener Feuerwehr trifft auf internationale Fellows

Auch der Austausch und die Zusammenarbeit mit der Münchner Feuerwehr ist für alle Seiten sehr bereichernd. Zum Projektbeginn war das DSSG-Team vor Ort zu Besuch, um sich einen Überblick über die Problemstellung und die Arbeitsweise der Feuerwehrleute zu machen. „Obwohl man bei der Feuerwehr natürlich sehr beschäftigt ist, hat man sich dort viel Zeit für uns genommen, uns in die Materie eingeführt und alle unseren nervigen Fragen beantwortet“, freut sich Pankaj. Seither stehen beide Seiten in regem Austausch miteinander. Die DSSGx-Teilnehmer haben eine erste Rohversion der geplanten App bereits vorgestellt und sind zuversichtlich, sie in regelmäßigen Feedback-Runden mit ihren Projektpartnern bei der Feuerwehr bis zur Deadline Ende September finalisieren zu können. Wenn das klappt, könne man die App beliebig mit Daten zu verfügbaren Hydranten füttern und in ganz Bayern einsetzen. Grundsätzlich ist die Anwendung übrigens nicht notwendigerweise nur auf Bayern beschränkt. „Es wäre sehr einfach, sie für andere Regionen anzupassen. So wie wir die App programmieren, ist sie sehr allgemein gehalten, und kann theoretisch überall angewendet werden“, sagt Rahaf.

Parallel dazu nutzt das andere Team der DSSGx München Web Scraping und NLP-Methoden, um einen umfassenden Datensatz zur Flächennutzungsplanung zu erstellen, indem es Datenquellen auf lokaler und regionaler Ebene in Nordrhein-Westfalen kombiniert. Der so entstehende Datensatz soll dazu beitragen, ein detaillierteres Verständnis der Umweltfolgen zu gewinnen und die Klimaresilienz verschiedener Regionen besser einschätzen zu können.

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